Der Verein palästinensischer und jüdischer Akademiker*innen (PJA) vertritt jüdische und palästinensische Wissenschaftler*innen in deutschsprachigen Ländern.
Am 7. und 31. Mai 2024 veranstalteten zwischen 60 und 100 Studierende Sitzstreiks an der ETH Zürich, um gegen die Komplizenschaft der Universität am anhaltenden Völkermord Israels in Gaza zu protestieren. Diese Komplizenschaft lässt sich auf finanzielle und institutionelle Verbindungen zu israelischen Institutionen zurückführen, die maßgeblich zur Unterdrückung der Palästinenser beitragen. Ihr Protest verlief friedlich und stand in der langen Tradition gewaltfreien studentischen Aktivismus. Als Reaktion auf den Protest beschloss die Schulleitung der ETH, die Angelegenheit strafrechtlich zu verfolgen und mehrere Demonstranten wegen Hausfriedensbruchs anzuklagen. 17 Studierende und Mitarbeiter*innen haben sich entschieden, sich gegen die Strafbefehle zu wehren.
Die PJA ist zutiefst besorgt über die bevorstehenden Strafprozesse gegen Studierende und Mitarbeiter*innen, die nicht nur eine Verletzung ihres demokratischen Rechts auf friedlichen Protest darstellen, sondern auch einen gefährlichen Präzedenzfall für die Wissenschaftsfreiheit und die Meinungs- und Versammlungsfreiheit auf dem Campus schaffen. Diese Entwicklungen scheinen auch einen breiteren internationalen Trend widerzuspiegeln, den Wissenschaftler*innen als Palestine exception von der Meinungs- und Wissenschaftsfeiheit bezeichnen.
In dem derzeitigen Klima der Repression sind Studentenproteste zum Thema Palästina von grundlegender Bedeutung für die Verteidigung der Wissenschaftsfreiheit und für die Überwindung der Mauer des Schweigens und der Zensur an Universitäten in Bezug auf das Thema Palästina und den anhaltenden Völkermord. Wenn Studierende für friedliche Proteste kriminalisiert werden oder wenn Wissenschaftler*innen eine Plattform für eine Debatte über Fragen von globaler Bedeutung verwehrt wird, wird die Demokratie nicht nur geschwächt, sondern gefährdet. Mit ihrem Kampf gegen die Strafanzeigen wegen friedlicher Proteste gegen einen Völkermord zeigen die Studierenden, dass hier nichts Geringeres als die Demokratie selbst auf dem Spiel steht.
Diese Kriminalisierung friedlicher Proteste ist kein Einzelfall, sondern symptomatisch für einen allgemeinen Trend, alles im Zusammenhang mit Palästina/Israel in der Schweiz auf eine Binärität von „Juden” und „Palästinensern” als gegensätzliche Gruppen zu reduzieren. Weitere Beispiele sind die Zensur einer öffentlichen Vorlesung über Palästina von Leopold Lambert durch die ETH Zürich, die Streichung des Raums für eine öffentliche Diskussion mit der UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese durch die Universität Bern und zahlreiche andere Fälle von Unterdrückung und (Selbst-)Zensur. Diese Fälle haben eine abschreckende Wirkung und stehen für eine systematische Verengung des Raums für offene Debatten über Palästina/Israel und für die Erosion der Wissenschaftsfreiheit an Schweizer Universitäten.
PJA fordert die ETH Zürich und die Zürcher Staatsanwaltschaft auf, alle Anklagen gegen die Studierenden fallen zu lassen und internationale, demokratische Standards der Wissenschaftsfreiheit sowie der Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu wahren. Darüber hinaus fordert PJA die ETH Verwaltung auf, sich zu einer transparenten Überprüfung der institutionellen Komplizenschaft bei Menschenrechtsverletzungen zu verpflichten.